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Barrierefreie Websites ab 2025: Wichtigste Infos

Geschrieben von Josefine Schiffner | 28.05.2024 08:54:26

Am 28. Juni 2025 tritt das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG) in Kraft ‒ ein entscheidender Schritt zur Förderung der digitalen Barrierefreiheit. Dieses Gesetz verankert die EU-Richtlinie (EU) 2019/882 des Europäischen Parlaments ‒ auch bekannt als der European Accessibility Act (EAA) ‒ in deutsches Recht und markiert eine weitreichende Veränderung für private Wirtschaftsakteure, die digitale Produkte und Dienstleistungen anbieten. In diesem Artikel erläutern wir die wichtigsten Aspekte dieses Gesetzes und beleuchten insbesondere die Auswirkungen auf barrierefreie Websites. 

Inhaltsverzeichnis

  1. Wann ist eine Webseite "barrierefrei"?
  2. Richtlinien zur barrierefreien Gestaltung von Websites
  3. Typische Behinderungen und Beispiele für barrierefreies Webdesign
  4. Barrierefreiheit umsetzen: Vorteile der Barrierefreiheit für Unternehmen
  5. Barrierefreiheit im Web: Kosten, Implementierung, Checkliste
  6. Kontrollorgane und Maßnahmen bei Verstößen
  7. Fazit: Barrierefreie Websites lohnen sich!

Wann ist eine Webseite "barrierefrei"? 

Im digitalen Raum sind Barrieren Hindernisse, die Menschen mit Behinderungen den Zugang und die Nutzung von digitalen Technologien erschweren. Diese Barrieren können viele Ausprägungen annehmen, zum Beispiel in Form sprachlicher oder technologischer Komplexität. 

Eine Website ist barrierefrei, wenn sie so gestaltet ist, dass alle Menschen sie effektiv nutzen können – unabhängig von körperlichen oder sensorischen Einschränkungen. Barrierefreiheit bezieht sich dabei nicht nur auf die Zugänglichkeit für Menschen mit Behinderungen, sondern auch für ältere Menschen, Menschen mit temporären Beeinträchtigungen (beispielsweise Verletzungen) und Menschen mit unterschiedlichem technischem Know-how. Eine barrierefreie Website sollte verschiedene Elemente in Text und Webdesign berücksichtigen: Alternativtexte für Bilder, klare und verständliche Inhalte, gut strukturierte Navigation, einfache Bedienbarkeit auch ohne Maus, Anpassungsmöglichkeiten für Textgröße und Kontrast sowie die Kompatibilität mit assistierenden Technologien wie Screenreader und Sprachsteuerung. 

Richtlinien zur barrierefreien Gestaltung von Websites 

Kernpunkte des Barrierefreiheitsstärkungsgesetzes

Das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG) fordert die Umsetzung von Barrierefreiheit in verschiedenen digitalen Bereichen. Dazu gehören der Onlinehandel, Telefon- und Messengerdienste sowie elektronischer Geschäftsverkehr. Für viele Unternehmen steht die barrierefreie Gestaltung ihrer Website oder ihres Online-Shops im Vordergrund. Das BFSG baut auf den Aspekten des bisher geltenden Behindertengleichstellungsgesetzes (BGG) und der Barrierefreien-Informationstechnik-Verordnung (BITV 2.0) auf. Das BGG ist ein allgemeines Gesetz zur Gleichstellung behinderter Menschen. Es gilt ausschließlich für staatliche Institutionen. Es beschäftigt sich unter anderem mit barrierefreier Informationstechnik. Die BITV 2.0 ist eine Verordnung, die aus dem BGG hervorgeht und detaillierte Anforderungen an die barrierefreie Gestaltung von Informationstechnik stellt. Die BITV spezifiziert, wie digitale Angebote, insbesondere Websites und Apps öffentlicher Stellen, gestaltet sein müssen, damit sie für Menschen mit Behinderungen zugänglich sind. Das BFSG soll nun die Anwendung der Barrierefreiheit im Bereich privater und öffentlicher Produkte und Dienstleistungen sicherstellen. 

Die Anforderungen des BFSG müssen für digitale Produkte und Dienstleistungen, die nach dem 28. Juni 2025 in den Verkehr gebracht werden, umgesetzt werden. 

Die Umsetzung folgt den international anerkannten Web Content Accessibility Guidelines (WCAG 2.1), die verschiedene Level der Barrierefreiheit definieren: Level A, AA und AAA. Level A bedeutet, dass eine grundlegende Zugänglichkeit zur Website besteht. Das Problem: Für viele Menschen mit Behinderungen sind die Anforderungen von Level A noch nicht ausreichend. Daher macht das BFSG nun die Einhaltung des Levels AA zur Pflicht, um Websites für die große Mehrheit der Menschen mit Behinderung zugänglich zu machen. Die Kriterien der Stufe AA umfassen alle Kriterien der Stufe A plus zusätzliche Anforderungen. Beispiele hierfür sind: 

  • Ein ausreichender Farbkontrast zwischen Text und Hintergrund ist erforderlich, wobei das Kontrastverhältnis von mindestens 4,5 zu 1 gewährleistet sein sollte.
  • Die Inhalte sollten in klar definierten Überschriften strukturiert sein und in einer logischen Reihenfolge präsentiert werden, beispielsweise mit einer H1 gefolgt von H2, H3 und so weiter.
  • Navigationselemente sollten konsistent über die gesamte Website hinweg gestaltet sein, um eine einheitliche und benutzerfreundliche Navigation zu gewährleisten.
  • Level AAA umfasst sowohl Level A und Level AA plus Erweiterungen und erfüllt somit die höchsten Anforderungen der Barrierefreiheit im Internet. 

Ausnahmen des Barrierefreiheitsstärkungsgesetz

Nach Geschäftsmodell: Das BFSG gilt grundsätzlich nur für Produkte und Dienstleistungen, die Verbraucher*innen entgegengebracht werden – sprich für den B2C-Bereich. Der B2B-Bereich ist außen vor. Auch Kleinstunternehmen müssen sich nicht nach dem BFSG richten. Bevor Sie an dieser Stelle austreten und das BFSG links liegen lassen: Die Gestaltung einer barrierefreien Website macht auch als B2B-Unternehmen oder Kleinstunternehmen Sinn. 

Inhaltlich: Die betroffenen Websites müssen ganzheitlich barrierefrei gestaltet werden. Ausnahmen gelten für:
  • Inhalte, die als zeitbasierte Medien gelten (z. B. Aufgezeichnete Audio- oder Video-Dateien)
  • Inhalte, die nach dem 28. Juni 2025 nicht mehr überarbeitet oder aktualisiert werden (Achtung: Dies gilt nur für die Website als Ganzes, nicht für einzelne Blogartikel.
  • Drittanbieterinhalte, die vom Websiteinhaber weder finanziert, kontrolliert oder entwickelt werden.

Normen

Die Norm EN 301 549, die für die Barrierefreiheit von Informations- und Kommunikationstechnologie innerhalb Europas festgelegt wurde, enthält Richtlinien, die sich mit den Anforderungen des European Accessibility Act (EAA) decken. Sie basiert auf den Grundprinzipien der Web Content Accessibility Guidelines (WCAG 2.1) und legt die Standards für die Zugänglichkeit digitaler Produkte und Dienstleistungen fest. Sie nennt folgende Grundpfeiler für Barrierefreiheit im Web: 

1. Wahrnehmbarkeit: Informationen und Benutzeroberflächenelemente müssen für Benutzer*innen in einer Weise präsentiert werden, die sie auch mit Einschränkungen wahrnehmen können. Dies bedeutet, dass Benutzer*innen in der Lage sein müssen, Informationen zu erkennen und zu verwenden – etwa durch Sehen, Hören oder Tasten.  

2. Bedienbarkeit: Die Funktionen der Website müssen auch mit Einschränkung bedienbar sein.   

3. Verständlichkeit: Informationen sowie die Art und Weise der Bedienung müssen leicht verständlich sein.  

4. Robustheit: Die barrierefreie Nutzung und Wahrnehmung der Website sollte geräteübergreifend möglich sein. 

Das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz unterstützt Menschen mit Behinderungen im digitalen Raum. 

Typische Behinderungen und Beispiele für barrierefreies Webdesign

Zur Veranschaulichung folgen einige typische Behinderungen und Beispiele, wie diesen durch barrierefreie Gestaltung begegnet werden kann: 

 

  1. Sehbehinderungen
    Blinde Menschen und Menschen mit Sehbehinderung nutzen oft Screenreader, um Webinhalte zu navigieren und zu verstehen. Barrierefreie Websites sollten daher alternative Texte für Bilder und grafische Inhalte bereitstellen, damit diese Programme den Inhalt akkurat wiedergeben können. Zusätzlich sollte die Möglichkeit bestehen, die Textgröße zu verändern und starke Kontraste zwischen Text und Hintergrund zu nutzen, um die Lesbarkeit zu verbessern.
    Beispiel: Eine barrierefreie Website bietet eine Funktion zum Vergrößern von Text ohne Verlust der Seitenfunktionalität und verwendet kontrastreiche Farbschemata. 
  1. Hörbehinderungen
    Für Menschen mit Hörbehinderungen ist es wichtig, dass multimediale Inhalte wie Videos oder Audiodateien mit Untertiteln oder Transkriptionen versehen sind. 
    Beispiel: Videos auf einer barrierefreien Website enthalten immer Untertitel oder werden mit einer vollständigen Textbeschreibung der Audioinhalte ergänzt.  
  1. Motorische Einschränkungen
    Menschen mit motorischen Einschränkungen haben oft Schwierigkeiten, herkömmliche Eingabegeräte wie Maus oder Tastatur zu bedienen. Im Sinne eines barrierefreien Webdesigns sollte die Website daher auch über Tastaturkürzel navigierbar sein und die Möglichkeit bieten, alle Interaktionen über eine einfache Tastatursteuerung durchzuführen.
    Beispiel: Die Website ermöglicht die Navigation durch alle Elemente und Funktionen mittels Tabulatortaste und anderer Tastaturbefehle, ohne dass eine Maus benötigt wird. 
  1. Kognitive Beeinträchtigungen
    Für Menschen mit kognitiven Beeinträchtigungen ist eine klare und einfache Struktur der Website entscheidend. Dies umfasst eine logische Menüführung, verständliche Anweisungen und die Vermeidung von komplexer Sprache oder Fachjargon.
    Beispiel: Eine barrierefreie Website nutzt einfache Sprache, visuelle Hinweise für die Navigation und wiederkehrende, konsistente Layouts zur Förderung der Orientierung. 

Barrierefreiheit umsetzen: Vorteile der Barrierefreiheit für Unternehmen

Erweiterung der Nutzerbasis 

Eine Website barrierefrei zu gestalten, lohnt sich – ganz gleich, ob Sie im B2C- oder B2B-Bereich wirtschaften: Laut Statistischem Bundesamt sind in Deutschland 7,8 Millionen Menschen schwerbehindert. Das sind 9,4 Prozent der deutschen Bevölkerung. Mit Blick auf den demografischen Wandel und der signifikant steigenden Einschränkungsrate im höheren Alter ist eine barrierefreie Website nicht nur ein Zeichen ethischer Verantwortung. Sie bietet auch wirtschaftliche Vorteile, da mehr Nutzer*innen erreicht werden. Durch die Einhaltung der Barrierefreiheitsanforderungen wird Ihre Website für einen breiteren Kundenkreis nutzbar und interessant.  

Verbesserung des Technical SEO 

Durch die Anpassung an Barrierefreiheitsstandards wird oft der HTML-Code einer Website vereinfacht und strukturiert, was wiederum die Suchmaschinenoptimierung verbessert. Suchmaschinen bewerten gut strukturierten und zugänglichen Content positiv, was zu einer besseren Platzierung in den Suchergebnissen führt. Somit ist eine barrierefreie Website ein entscheidender Wettbewerbsvorteil. 

Ethische und moralische Stärkung des Markenimages  

Die Barrierefreiheit einer Website sendet ein starkes Signal ethischer Verantwortung und sozialer Inklusion aus. Dies kann das Markenimage stärken und das Vertrauen der Kund*innen in Ihr Unternehmen und Ihre Produkte erhöhen. 

Barrierefreiheit im Web: Kosten, Implementierung, Checkliste 

Die Kosten für die Umsetzung der Barrierefreiheit variieren je nach aktuellem Zustand, Umfang und Alter der Website. Eine erste Analyse des Ist-Zustandes kostet laut Aktion Mensch e.V. in der Regel zwischen 600 und 1.200 Euro. Dies ist eine grundlegende Investition in die Zugänglichkeit, die sich langfristig auszahlen kann ‒ insbesondere im Hinblick auf Kundenzufriedenheit und rechtliche Konformität. Lesen Sie mehr zu den Kosten einer barrierefreien Website unter diesem Link. 

Um zu prüfen, wie barrierefrei Ihre aktuelle Website bereits ist, können Sie Checklisten und Schnelltests nutzen, die kostenlos im Internet zur Verfügung stehen. In der folgenden Tabelle listen wir einige Hinweise für Sie auf, wie Sie Ihre Website barrierefreier gestalten können:  

Inhalt Beschreibung
Barrierefreie Audios und Video
  • Transkripte des Gesagten und der Handlungen
  • Untertitel
  • Audiodeskreption (Sprecher beschreibt das zu Sehende aus dem Video)
  • Einbindung von Gebärdensprache
Barrierefreie Bilder
  • Bildbeschreibung und Alternativtexte  
Barrierefreie Texte  
  • komplexe Satzstrukturen vermeiden
  • Verwendung von Absätzen, Aufzählungszeichen oder Tabellen, um Informationen zu strukturieren
  • Inhalte zusätzlich in leichter Sprache anbieten
Barrierefreies Content-Management-System
  • Zur barrierefreien Einpflege von Website-Inhalten

 

 

 

Kontrollorgane und Maßnahmen bei Verstoßen

Die Kontrolle der Einhaltung des BFSG ist Aufgabe der Marktüberwachungsbehörden der Bundesländer. Auch Verbraucher*innen sowie Verbände können die Behörden auf Unstimmigkeiten zwischen der Website eines Unternehmens und den Regelungen des BFSG hinweisen. Die Überwachung von Produkten erfolgt gemäß einer festgelegten Marktüberwachungsstrategie, während bei Dienstleistungen stichprobenartige Kontrollen stattfinden. Stellt die Marktüberwachungsbehörde eine Nichteinhaltung fest, fordert sie das verantwortliche Unternehmen auf, die erforderliche Konformität herzustellen. Sollte das Unternehmen weiterhin nicht nach dem BFSG handeln, können Maßnahmen wie Bußgelder oder sogar ein Vertriebsverbot für das betreffende Produkt oder die Dienstleistung folgen. 

Fazit: Barrierefreie Websites lohnen sich!

Eines steht fest: Barrierefreie Websites sind ein Gewinn für alle! Sowohl für die Menschen mit Einschränkungen, die auf den Websites surfen als auch für Websiteinhaber selbst, die dadurch Reichweite und SEO-Vorteile gewinnen. Das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz verpflichtet B2C-Unternehmen ab Juni 2025, ihre Websites und Online-Shops im Sinne der Barrierefreiheit und entlang der Web Content Accessibility Guidelines (WCAG 2.1) zu gestalten. Wer den Regelungen nicht entsprechend nachkommt, muss mit Bußgeldern oder sogar Vertriebsverboten rechnen. Da die Umgestaltung von Websites und Co. zeit- und kostenintensiv sein kann, empfehlen wir eine frühzeitige Auseinandersetzung mit dem bevorstehenden BFSG. Die Einführung des Barrierefreiheitsstärkungsgesetzes ist ein bedeutender Schritt in Richtung einer inklusiveren digitalen Welt. Und obwohl B2B-Unternehmen nicht ausdrücklich von der neuen Gesetzgebung betroffen sind, lohnt sich die Implementierung auch für sie: Neben dem Erfolgskriterium der Reichweitensteigerung und neuen SEO-Chancen wird die Markenidentität ethisch und moralisch gestärkt.