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Warum Content Marketing oft der bessere Journalismus ist

Geschrieben von Matthias Gussow | 04.01.2017 16:48:27

Für Content-Marketing-Agenturen begann die Woche mit einer unerwarteten Breitseite. Für seine Kolumne zur Medienbranche ermittelte der Medien-Kommissar des Handelsblatts 


Sein Urteil: Content Marketing killt den Journalismus. Dieses Urteil fußt auf dem Fakt, dass immer mehr ausgebildete Journalisten aus den Verlagen oder der Selbstständigkeit zu Agenturen und Unternehmen wechseln. Aus Sicht von Medien-Kommissar Hans-Peter Siebenhaar führt dies aber letztendlich zu einem „medialen Brei“ aus Journalismus und Werbung, mit den gutgläubige Leser hinterrücks als Kunden angefüttert werden. Sie könnten „zwischen Information und Reklame“ nicht mehr unterscheiden. Eine solche Verlockung ziehe gleichzeitig „den Unternehmen die Moral unter den Füßen“ weg.

Damit würde ein journalistisches Klima geschaffen, in dem Ehrlichkeit und Transparenz an Stellenwert verlieren. „Die Folgen des Vertrauensverlustes in die Medien sind bereits überall in Europa sichtbar. Populisten von rechts und links in Europa profitieren davon“ – Content Marketing als Gründungsmythos der AfD?

 

Was ist Content Marketing?

Dabei kann man dem Medien-Kommissar nicht einmal Böswilligkeit unterstellen. Er hat einfach an der falschen Stelle ermittelt. Was Content-Marketing exakt definiert, führt branchenintern auch nach Jahren zu lebhaften Diskussionen. Das in der Siebenhaars Kolumne angeführte Zitat „Werbung versucht immer ein Produkt zu inszenieren. Content Marketing sucht nach Inhalten, was die Leser interessiert und den Produkten nutzt.“ von Rainer Burkhardt ist da nur eines von vielen. Siebenhaar schlussfolgert mit einer Formel, in der Werbung und Journalismus addiert werden und unterm Strich ein für die Gesellschaft negatives Ergebnis steht.

Am Ende ist es aber deutlich weniger kompliziert. Um bei der Erklärung gleich mit der vom Medien-Kommissar vermissten Ehrlichkeit und Transparenz einzusteigen: Content-Marketing ist im B2B eine für Unternehmen sehr effiziente Form der Werbung. Punkt. Sie ist effizient, weil sie sich einiger Erfolgsfaktoren des Qualitätsjournalismus bedient. Damit wird Content-Marketing aber nicht zur journalistischen Darstellungsform, gleichrangig mit Feature, Interview und Reportage.

Content Marketing und Qualität im Journalismus

An dieser Stelle soll es auch nicht um die schwierige Definition von Qualitätsjournalismus gehen. Dem Leser nach bestem Gewissen richtige Informationen und durch deren passende Aufbereitung einen Mehrwert zu bieten, sind aber sicherlich Facetten, die diesem Begriff zuzuordnen sind. Ein solcher Umgang mit Informationen erfordert zwangsweise Recherche abseits von Wikipedia und die Überprüfung der zusammengestellten Ergebnisse. Je nach Komplexität des Themas müssen hierfür Experten hinzugezogen werden. Allein: An Zeit fehlt es digitalisiertem Journalismus immer mehr.

Wer hier heute den Begriff „Zeit“ verwendet, meint oft eigentlich „schnell“. Burdas Online-Ausgabe des FOCUS rühmt sich für seinen „minutenaktuellen Nutzwert-Journalismus“. Für die Überprüfung von Quellen bleibt da manchmal wenig Zeit. Meist gehen kleine Fehler sowieso im Nachrichtenrauschen unter, wenn es sich nicht gerade um einen zweifelhaften Terror-Alarm handelt. FOCUS Online ist aber nur ein zufälliges Beispiel. In einem Umfeld, in dem Prüfen nicht mehr zum Tagesgeschäft zählt, werden Falschinformationen wie im Fall Freiherr zu Guttenberg zur medialen Wahrheit. Für den Leser sendet dies die Botschaft, dass alles vielleicht falsch ist. Dies ist ein hausgemachtes Dilemma für den heutigen Journalismus, an dem der von Hans-Peter Siebenhaar geforderte „Verzicht auf Content-Marketing“ nichts ändern würde.

B2B Content Marketing als Geschäft

Für die betroffenen Redakteure bleiben im Wesentlichen drei Optionen: Sich mit dem Zeitgeist arrangieren, gezielt einem der noch vorhandenen Qualitätsmedien anzuschließen oder mit ihren gefragten Fähigkeiten bei einer Agentur oder einem Unternehmen anheuern. Der moralische Schritt in die Werbung ist meist überschaubar. Für viele aktive Journalisten schattieren die allgemeine Ausrichtung des veröffentlichenden Mediums und die Befindlichkeiten wichtiger Anzeigenkunden eh mal mehr mal weniger subtil die eigenen Beiträge.

Im Gegenzug erwartet wohl kaum ein Leser, im Mercedes-Benz me Magazin einen Beitrag zum legendär misslungenen Elchtest der ersten A-Klasse oder investigative Beiträge zu finden. Noch viel weniger als im vom Siebenhaar wohl hauptsächlich gemeinten B2C-Bereich gehen Akteure im B2B-Umfeld zudem davon aus, irgendetwas umsonst zu bekommen. Eine gut gemachte Übersicht zu einem Fachthema bietet dem Leser einen echten Mehrwert. Gleichzeitig ist es durch das obligatorische Kontaktformular ein einfacher Tausch: Wissen gegen Informationen. So gesehen, wird das B2B Content Marketing zum ersten Geschäftskontakt.

Erfolgsfaktoren im B2B Content Marketing

Mit dieser Sichtweise kommen auch wieder die schon mehrfach genannten Punkte Ehrlichkeit und Transparenz ins Spiel. Das beginnt bei der Gestaltung des CTA, mit dem der Leser zum Download eines Inhalts bewegt werden soll. Gerade im Online-Umfeld mit seinen marktschreierischen Clickbait-Versprechen ist hier die Versuchung natürlich groß, noch eine Schippe draufzulegen. Anders als beim schnellen Abgreifen eines Klicks für die eigenen Anzeigenverkäufe, ist hier ein gewährter Vertrauensvorschuss die Währung. Hält der Inhalt nicht das, was zuvor in Superlativen versprochen wurde, ist der potenzielle Kunde in der Regel endgültig verbrannt.

Keine zweite Chance für den ersten Eindruck gilt ebenfalls für die Aufbereitung des Inhalts. Zwar lassen Layout, die Nennung des Herausgebers und gegebenenfalls die Bildauswahl keinen Zweifel am Verfasser, der Text sollte im Idealfall aber noch keine vertrieblichen Aussagen zu konkreten Lösungen enthalten. Whitepaper belegen in erster Linie die Kompetenz des Herausgebers zum besprochenen Thema. Dass er sich danach als Lead für die praktische Umsetzung an den Herausgeber wendet, bleibt natürlich das übergeordnete Ziel – auf diesem Weg umgesetzt, wirkt es aber im jeden Fall transparenter und ehrlicher als ein Störer auf einem journalistischen Angebot, der sich beim Lesen eines Artikels über den gesamten Content zieht und „nur für kurze Zeit“ gratis einen vierwöchigen Digitalpass für das gesamte Angebot und eine Gewinnchance auf einen Luxus-Einkauf verspricht.

Matthias Walbroel ist seit 2014 verantwortlich für die Produktion von Content-Marketing-Formaten bei PARK 7.